Was ist eine hochfunktionale Depression?

Betroffene der hochfunktionalen Depression scheinen nach außen ein glückliches und erfolgreiches Leben zu führen, während sie sich innerlich einsam, niedergeschlagen, angespannt und leer fühlen. Hier erfährst du warum diese Form der Depression oft nicht erkannt wird und was helfen kann.

Eine Depression zu haben, bedeutet nicht immer, das Bett nicht mehr verlassen zu können. Es gibt Menschen, die über Jahre an einer Depression oder depressiven Verstimmung leiden und weiterhin sehr erfolgreich anspruchsvollen beruflichen und sozialen Verpflichtungen nachgehen. Nach außen wirken sie gut aufgelegt, während sie sich innerlich traurig, einsam und leer fühlen. In diesen Fällen kann eine leichtere aber dafür länger andauernde Depression oder depressive Verstimmung vorliegen, die als „hochfunktionale Depression“, „high functioning depression“ oder „smiling Depression“ bezeichnet wird.

Warum die hochfunktionale Depression oft nicht erkannt wird:

Viele Betroffene können sich gar nicht erklären, woher das bleibende Gefühlstief kommt– eigentlich haben sie doch alles, was sie sich wünschen könnten? Trotzdem fühlen sie sich wie unter einer bedrückend- grauen Wolkendecke (durch die höchstens selten mal vereinzelt ein Sonnenstrahl fällt). Weil sie äußerlich nicht dem „typischen Bild des Depressiven” entsprechen, erkennen viele Betroffene ihre Depression nicht (oder wollen sie nicht wahrhaben). Sie hoffen, dass es sich um eine Phase handelt, die sie allein durchstehen. Oft fühlen sich Betroffene auch „nicht krank genug“, um Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Zusätzlich fehlen Fürsorge, Bestätigung und Aufforderung sich Hilfe zu suchen durch das Umfeld, da dieses das wahre Befinden der Betroffenen nicht erkennen kann.

Oft entsteht diese Art der Depression schon im Kindes- und Jugendalter, weshalb Betroffene sich teils nicht mehr anders kennen und die Niedergeschlagenheit bereits als Teil ihrer Persönlichkeit wahrnehmen. Das führt zusammengenommen dazu, dass Betroffene keine Hilfe in Anspruch nehmen und lange leiden- manchmal über Jahrzehnte.

Woran erkenne ich, ob ich eine hochfunktionale Depression habe?

Nach außen scheint das Leben der Betroffenen perfekt: Sie sind oft besonders erfolgreich im Job, übernehmen bereitwillig Überstunden und sind allseits beliebte Kolleg*innen. Auch im Sozialleben scheint es super zu laufen. Nicht selten sind sie diejenigen, die trotz vollem Terminkalender die Katze der verreisten Nachbarin füttern und die Überraschungsfeier für die Freundin organisieren. Scheinbar mühelos übernehmen sie Aufgaben, die andere längst ausgeschlagen hätten. Während sie sich lächelnd durch den Alltag schleppen, sieht ihre Innenwelt ganz anders aus: Sie leiden an einem bleibenden Gefühl der Leere, Sinnlosigkeit, Niedergeschlagenheit, Überforderung, Angespanntheit und Ängsten. Manchmal kann sich ihre Stimmung zwar zeitweise leicht heben, doch richtig glücklich und leicht fühlen sie sich selten bis nie.

Das Verhalten der Betroffenen ist meist durch tiefliegende Ängste, wie Versagensängste, Angst nicht gut genug zu sein oder den Job oder sozialen Rückhalt zu verlieren motiviert. Manche stützen sich in die Arbeit, um sich vom inneren Leiden abzulenken– und geraten dabei einen Teufelskreis der Überforderung.

Weitere mögliche Symptome der hochfunktionalen Depression:

  • Perfektionismus
  • Gedankenkreisen
  • Selbstzweifel und niedriges Selbstwertgefühl
  • Schuldgefühle
  • Versagensängste, Angst nicht gut genug zu sein
  • Ausgeprägter Alkohol-/ Nikotinkonsum/ anderere Substanzen
  • Konzentrations- und Entscheidungsprobleme
  • Geminderte Genuss- und Begeisterungsfähigkeit
  • Energiemangel & Ausgelaugt sein
  • Gereiztheit
  • Schlafstörungen
  • Essstörungen

Warum und wie entsteht eine Depression?

Was als „hochfunktionale Depression“, „high functioning depression“ oder „smiling depression“ bezeichnet wird, ist eine Form der atypischen Depression, die dem Burn-Out Syndrom nahesteht. Studien zur Folge erkrankt jede siebte Person einmal in ihrem Leben an einer Depression. Warum und wie eine Depression genau entsteht, ist in der Wissenschaft nicht abschließend geklärt. Ob ein Mensch erkrankt, hängt jedoch stark mit seiner genetischen Veranlagung, aber auch (frühkindlichen) Erfahrungen zusammen. Hat ein Mensch die genetische Veranlagung für Depression (auch “Vulnerabilität” genannt), ist es wahrscheinlicher, dass er oder sie infolge stressreicher Ereignisse und anhaltende Überforderung eine Depression entwickelt. Allerdings muss es nicht immer einen klar erkennbaren Auslöser der Depression geben.

Eine Depression kann absolut jeden treffen und viele verschiedene Gesichter annehmen.

Wie dir eine Psycholog*in helfen kann:

Du musst und solltest idealerweise nicht erst „richtig krank“ sein, um Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Es zahlt sich aus, frühzeitig mit jemand zu sprechen, bevor sich eine depressive Verstimmung in eine schwere Depression verwandelt. Manchmal können schon wenige Gespräche mit einer Psychlog*in oder Psychotherapeut*in helfen, um eine Erkrankung noch rechtzeitig zu verhindern.

Als Faustregel gilt: Je früher du dir Hilfe suchst, desto besser sind die Behandlungschancen und desto kürzer das Leiden.

Eine Psycholog*in kann dir beispielsweise dabei helfen, dich und dein Verhalten, deine Gedanken und Gefühle besser zu verstehen. Sie wird dir dabei helfen, besser mit Herausforderungen umzugehen, deine Belastbarkeit bei Krisen zu stärken und dir viele hilfreiche Tricks und Techniken beibringen.

Bei stark ausgeprägten Depressionen wird sie mit dir die Möglichkeit besprechen, eine Psychotherapie und/ oder eine unterstützende Behandlung mit Medikamenten in Anspruch zu nehmen.

Last but not least: Eine psychische Erkrankung oder Krise wird früher oder später jeden einmal treffen. Dafür muss man sich nicht schämen.

Auch wenn das in unserer Gesellschaft oft suggeriert wird; kein Mensch ist schuld an seiner* ihrer psychischen Erkrankung. Ich wünsche mir, dass psychische Erkrankungen bald gehandhabt werden wie körperliche Erkrankungen auch. Wenn jemand körperlich leidet, geht er (hoffentlich!) zu einer Ärzt*in. Dasselbe soll für psychische Erkrankungen gelten: Ist die psychische Balance aus dem Gleichgewicht, sollte man eine Psycholog*in oder aufsuchen. Ohne dabei Gefühle der Schuld und Scham empfinden zu müssen.

Take Home Message

Depression kann viele verschiedene Gesichter annehmen. Manchmal ist sie von außen, aber auch durch Betroffene selbst, nicht direkt zu erkennen. Denn das stereotype Bild des Depressiven, der sich aus dem Alltag zurückzieht, trifft nicht immer zu. Es gibt Menschen, die scheinbar alles im Griff haben, während sie sich innerlich leer, niedergeschlagen und ängstlich fühlen.

Wenn du dir nicht sicher bist, ob du oder deine Freund*in/ Partner*in/ Kolleg*in an einer Depression leidet, such jemand Professionellen auf, um das abzuklären oder sprich Betroffene vorsichtig darauf an.

Umso früher du dich an jemanden wendest, desto besser.  Das kann erstmal eine Freund*in sein, der du vertraust oder eine gut ausgebildete Professionelle.

Eine psychologische Onlineberatung kann dir helfen, aus der Krise zu finden oder eine ernste Erkrankung rechtzeitig abzuwenden.